Bonnis Weg ins Leben

Im Internet bin ich über sie gestolpert: Bonni, 2,5 Jahre alt, vermutlich Labrador-Weißer Schäferhund-Mix (genau wie unser Ersthund Felix) und sehr scheu. Das Bild zeigte eine Hündin, die schüchtern den Kopf von der Kamera wegdrehte. Mein Gefühl sagte mir, Bonni passt zu uns, und so wollte ich diese Hündin kennenlernen. Also packten wir kurzerhand Felix ins Auto und fuhren knapp 300km in die Nähe von Wolfsburg. Dort erwartete uns eine sehr verunsicherte, laut bellende Hündin, die sich aber auf Anhieb mit Felix verstand und mir nach einiger Zeit ganz vorsichtig Leckerlies aus der Hand nahm. Das Eis war gebrochen, mein Herz im Sturm erobert und Bonni fuhr mit uns zurück Richtung Berlin.

Über Bonnis Herkunft wissen wir, dass sie ursprünglich als Kettenhund in Polen ihr Dasein fristete. Mit ca. 1,5 Jahren wurde sie in einem Tierheim in der Nähe von Stettin abgegeben, um dort ihre Jungen zur Welt zu bringen. Die Tierheim-Mitarbeiterinnen konnten den Halter überzeugen, Bonni dort zu lassen. Über eine deutsche Tierschützerin kam sie dann nach Deutschland auf einen Hof zusammen mit 9 anderen Hunden, lebte dort ca. ein halbes Jahr, bis wir sie abgeholt haben.

Aller Anfang ist schwer

Dezember 2010


Wir hatten überhaupt keine Erwartungen an Bonni und waren auch von ihrem anfänglichen Verhalten nicht wirklich überrascht. Obwohl, eigentlich schon. Denn Bonni erwies sich als absolut liebe, duldsame Hündin. Trotz ihrer Angst lies sie alles über sich ergehen, was sich am Anfang mit so einem Tier nun einmal nicht vermeiden lässt. Sie bekam gleich in den ersten Tagen ein Geschirr an, das dann auch Tag und Nacht dran blieb. Sie ließ sich zweimal am Tag aus ihrer Box zerren und in den Garten bringen, um ihre Geschäfte zu erledigen. Außerdem merkten wir nach einigen Tagen, dass sie völlig verfloht war, was intensive Duschen, Behandlungen mit Spot-Ons und tägliche Reinigung ihrer Box nach sich zog. Alles ertrug sie in einer Art Schockstarre, sie wäre nie auf die Idee gekommen, nach uns zu schnappen.

Der Alltag kehrt ein

Nach diesem etwas turbulenten Start wurde es ruhiger und Bonni konnte sich langsam bei uns einleben. Anfangs haben wir sie weitestgehend ignoriert und unseren Alltag möglichst normal weitergelebt. Sie konnte uns von ihrer Box aus beobachten. Futter gab es ausschliesslich aus der Hand, damit sie langsam Vertrauen zu uns aufbauen konnte. Und so wurde sie allmählich mutiger und traute sich in unbeobachteten Momenten auch mal aus der Box, um sich ein wenig umzusehen. Die ersten Wochen und Monate verbrachten wir damit, Bonnis Vertrauen zu gewinnen, eine Beziehung zu ihr aufzubauen und sie ganz langsam an die normalen Dinge des Alltags heranzuführen. Eine der wichtigsten Lektionen war die gemeinsame Handfütterung mit unserem Rüden Felix, damit sie ihre Futteraggression überwand. Das ist heute zum Glück kein Thema mehr.



Aufbruch in ein normales Leben


Wie geht man mit einem Hund Gassi, der es nicht erträgt, an der Leine gehalten zu werden? Zunächst einmal gar nicht. Bonni bekam im Garten eine Schleppleine dran und ich habe mich langsam zu ihr vorgearbeitet, zuerst nur das Ende der Leine in die Hand genommen, irgendwann auch mal die Leine straffen lassen und dann Stück für Stück kürzer gefasst, bis ich neben ihr herlaufen konnte. Bis wir eine normale 2m-Leine verwenden konnten, sollten noch einige Monate vergehen.

Neues Hobby: Menschen gucken

Frühsommer 2011


Kaum hatte Bonni sich etwas eingelebt, begann sie, alle Menschen in unserem Umfeld zu verbellen. Wir mussten alles schönfüttern, Menschen, Fahrräder, Autos und alles, was sich sonst noch bewegte. Einzig andere Hunde waren nie ein Problem, Bonni freut sich über fast jeden Hund und kommt mit allen gut klar. Dafür hatten wir jede Menge anderer Baustellen wie z.B. Treppen steigen oder Auto fahren.


Um Bonni an den Anblick fremder Menschen zu gewöhnen, haben wir im ersten Sommer viel Zeit an Supermarktparkplätzen verbracht. Wir haben uns einfach an die Seite gesetzt und die Menschen beobachtet. Anfangs half eine Leberwursttube über die größte Angst hinweg. Schon bald konnten wir auch mal eine Runde über den Parkplatz laufen, natürlich immer mit genügend Abstand zu den Menschen.

Nach ca. einem dreiviertel Jahr war die gröbste Panik überwunden, so wurde es Zeit für den nächsten großen Schritt. Ab Herbst 2011 besuchten wir einmal in der Woche eine Welpengruppe in der Hundeschule. Die ersten Stunden hat Bonni in sicherem Abstand zur Gruppe hinter einem Wohnwagen verbracht. Also kam sie an die Schleppleine, denn sie sollte ja lernen, die Menschen auszuhalten. Sie war oft hin und hergerissen, sie hätte sich gern mehr mit den anderen Hunden beschäftigen, wenn da nicht die vielen Menschen und vor allem die Kinder gewesen wären.



Es hat zwar über ein Jahr gedauert, aber irgendwann brauchte Bonni den Schutz des Wohnwagens nur noch sehr selten. Sie bewegte sich frei auf dem Platz, suchte den notwendigen Schutz bei mir und konnte hin und wieder sogar mit den anderen Hunden toben, wenn auch nur für wenige Augenblicke.



Wir eroberten die Welt

2012 bis 2020


Das nächstes Projekt war dann der langsame Einstieg ins Stadtleben. Wir wohnen am Rande einer Großstadt, da bleibt es nicht aus, dass man Freunde besuchen möchte oder Termine mit Hund wahrnehmen will, die doch etwas weiter in der Stadt liegen. Als erstes eroberten wir die "Weltstädte" Erkner und Strausberg, kleine Städtchen am Stadtrand von Berlin. Wir mussten zwar teilweise noch Bögen laufen, aber immerhin bewegten wir uns schon auf der Hauptstraße, ohne das Bonni in Panik verfiel. Aber von einem entspannten Bummel waren wir weit entfernt.

Irgendwann entdeckte Bonni den Futterdummy für sich. Zuerst im Garten, dann in unseren Dorfstraßen und im Laufe der Monate und Jahre in immer belebteren Gebieten, suchte und apportierte Bonni den Dummy mit großer Freude. Dann vergaß sie sogar, dass sie fremde Menschen eigentlich unheimlich fand. Dieses Video entstand auf einem Marktplatz in einem Randbezirk von Berlin.



Für Bonni war es wichtig, vorausschauend zu sein und ihr zu sagen, wie wir mit komischen Situationen umgehen. Hatte sie eine klare Aufgabe oder die Sicherheit, dass wir wussten, was zu tun ist, konnte sie mit der Zeit sehr viele Situationen meistern.

Die letzten Jahre mit Bonni

Wünsche hatten wir irgendwann gar keine mehr. Wir lebten entspannt unseren Alltag, Bonni kam gut zurecht und hatte ihren Platz in unserem Leben gefunden. Sie behielt bis zum Schluss ein gewisses Misstrauen gegen fremde Menschen. Aber das war in Ordnung, sie musste nicht Everybodys Darling sein. Wer sich auf sie einließ, sich zurücknahm und ihr den Raum gab, den sie brauchte, hatte gute Chancen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Bei manchen Menschen ging das ganz schnell, manche Menschen lösten auch nach Jahren noch heftige Bell-Attacken aus. Und Kinder waren sowieso ganz gefährlich, besonders die freilaufenden ;-).



Bonni war ein liebenswerter Clown, anhänglich und verschmusst, wenn man sich auf sie einließ.


Im Mai 2020 ging Bonni über die Regenbogenbrücke.

Mach's gut, meine Zaubermaus. Du bleibst unvergessen und für immer in unseren Herzen!