Gegenkonditionierung

Viele unerwünschte Reaktionen unserer Hunde sind erlernt. Der Hund war mit einem unangenehmen Reiz konfrontiert, z.B. ein ungeliebter Artgenosse. Unser Hund hat sich laut bellend in die Leine geworfen und der Artgenosse ging weg. Das Verhalten hatte also Erfolg und der Hund wird es beim nächsten Mal wieder probieren. Mit jedem weiteren Erfolg wird sich das Verhalten festigen und die Chance, dass er wieder auf dieses Verhalten zurückgreift, wird immer größer. Dass der andere Hund auch ohne das Theater verschwunden wäre, weil er von dessen Halter sowieso schnell weitergezerrt wurde, weiß unser Hund nicht. Er verknüpft nur sein eigenes Verhalten mit der Reaktion des Auslösers.



Hier wollen wir ansetzen. Wir wollen unserem Hund zeigen, dass er mit anderen Verhaltensweisen das gleiche Ergebnis erzielen kann. Dazu muss der Hund allerdings erstmal offen sein für andere Verhaltensweisen. Es bringt uns also nichts, wenn wir den Hund erstmal in die Situation reinlaufen lassen und wenn er sich dann so richtig schön aufregt, erklären wir ihm, dass wir jetzt einen anderen Plan haben. Unser Hund wird uns vermutlich gar nicht wahrnehmen.


Der Anfang liegt also zunächst in gutem Management. Da müssen ggf. Abstände vergrößert werden, der Hund muss evtl. zusätzlich gesichert sein, damit er den Halter nicht von den Füßen reißt oder was sonst so an Maßnahmen ergriffen werden muss, damit der Hund sich nicht aufregt oder der Halter zumindest Herr der Lage bleibt.


Als nächstes benötigen wir ein Alternativverhalten, das der Hund in für ihn aufregenden Situationen auch ausführen kann. Daher sollte das Verhalten sehr einfach auszuführen sein. Ein Beispiel aus der Menschenwelt: Wenn z.B. jemand nicht schwindelfrei ist, wird er auf einer Brücke wohl kaum in der Lage sein, knifflige Matheaufgaben zu lösen oder lange Gedichte aufzusagen, aber vielleicht klappt es, sich einfach auf die Atmung zu konzentrieren. Unser Alternativverhalten wird zunächst zu Hause ohne Ablenkung und Aufregung geübt. Erst wenn es in entspannten Situationen funktioniert, haben wir eine Chance, dass es auch bei Aufregung gezeigt werden kann.



Nun geht’s ans Üben. In dem Moment, wo der Hund den Auslöser erblickt, holen wir uns seine Aufmerksamkeit und fordern unser Alternativverhalten. Hier ist es gut, wenn man zunächst in gestellten Situationen übt, die man kontrollieren kann. Denn unser Hund muss nun ausnahmslos jedes Mal die Erfahrung machen, dass er mit dem neuen Verhalten das gleiche Ziel erreicht, z.B. guckt er seinen Menschen an oder stubst mit der Nase an die Hand und der andere Hund verschwindet. Macht er diese Erfahrung oft genug, wird langsam die Aufregung sinken und er wird das Verhalten von sich aus anbieten, wenn er einen Auslöser erblickt.


Gegenkonditionierung hat ihre Grenzen. Nämlich immer dann, wenn ich die Auslöser nicht wenigstens vorübergehend selbst dosieren kann, wenn der Hund immer wieder die Erfahrung macht, dass es Situationen gibt, wo er dem Erregungsauslöser doch schutzlos ausgeliefert ist, wird es sehr schwer sein, ihn zu überzeugen, dass es auch anders geht. Hier sind wir Menschen gefragt. Es ist unsere Aufgabe, unsere Hunde zu schützen, sei es vor allzu freundlichen Menschen, vor freilaufenden Hunden oder was unsere Hunde sonst noch so in Aufregung versetzt. Manchmal muss vorübergehend der Alltag etwas umgekrempelt werden, z.B. andere Gassistrecken gegangen werden oder einfach zu anderen Zeiten rausgegangen werden.


Im Alltag hat sich eine Kombination aus Gegenkonditionierung und Desensibilisierung bewährt. Und auch in stressfreien Situationen sollte der Hund seine Menschen als vertrauensvolle und verlässliche Sozialpartner erleben. Denn nur wo Vertrauen existiert, kann man sich auf neue Ideen einlassen.


Autorin: Michaela Wielan