Hilfe, mein Hund hat Angst

Wie gehe ich mit der Angst um?


Die Geschichten beginnen oft sehr ähnlich. Der heiß ersehnte Vierbeiner zieht ein und der als völlig unproblematisch oder nur ein wenig unsicher beschriebene Hund stellt sich als ein einziges Angst/Panik-Bündel heraus. Wer bereits einen Hund hatte, stellt fest, dass alltägliche Routineabläufe wie Füttern, Gassigehen oder blosses Anfassen zu einer echten Herausforderung werden können. Manchmal ist die Vorgeschichte bekannt und das Verhalten noch irgendwie erklärbar, manchmal trifft es den neuen Besitzer aus heiterem Himmel. Gerade im Tierheim ist es durchaus möglich, dass der Hund dort in einer ihm vertrauten Umgebung noch völlig unauffällig war, aber jetzt, konfrontiert mit völlig neuen Herausforderungen förmlich in sich zusammenfällt.


Was nun?

Die Angst zu ignorieren nach dem Motto „Da muss er durch!“ wäre jetzt ebenso falsch wie das Gegenteil, nämlich den Hund völlig in Watte zu packen und vor lauter Mitleid zu zerfließen. Was der Hund jetzt am meisten braucht, ist Zeit. Zeit, um seine neue Umgebung kennenzulernen und Zeit, um Vertrauen zu seinen neuen Besitzern aufzubauen. Der Hund muss mit seinen Ängsten ernst genommen werden. Ängste können nicht einfach auf Knopfdruck abgeschaltet werden.

Anhand unserer und den Erfahrungen von anderen Besitzern von Angsthunden wollen wir hier einige grundlegende Dinge aufzählen, die unseren Hunden und uns gerade in der Anfangszeit geholfen haben:


Vertrauen ist der Anfang von allem


Das Vertrauen des Hundes in seinen Halter ist wichtig, um ihm in seinen Panik/Angst-Attacken und in Stresssituationen zu helfen. Außerdem ist Vertrauen wichtig, weil wir nur dann in der Lage sind, dem Hund in schwierigen Situationen die nötige Ruhe, die er benötigt, zu vermitteln.

Eine Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen, ist es, den Hund die erste Zeit aus der Hand zu füttern. Dabei bekommt er seine Futterrationen an einem ruhigen Ort vom Hundehalter aus der Hand gefüttert.

Findet der Hund schon die Anwesenheit und Nähe seiner Menschen beängstigend, kann man sich zunächst einfach in die Nähe des Hundes setzen und z.B. ein Buch lesen. Vielen Hunden hilft es, erstmal in Ruhe die neue Umgebung und die Menschen beobachten zu können, ohne dass gleich irgendetwas von ihnen erwartet wird.



Viele Hunde genießen die Streicheleinheiten vom Hundehalter, aber bitte auf die Körpersprache des Hundes achten. Manche Hunde haben ggf. schlechte Erfahrungen mit der Menschenhand gemacht und mögen es daher nicht angefasst zu werden oder es ist ihnen einfach unangenehm. Solche Hunde muss man langsam heranführen und ihnen zeigen, dass „gestreichelt werden“ etwas Tolles und sehr angenehmes ist. Einige Hunde die Angst haben, verkriechen sich in der Wohnung häufig in ihren Korb oder an einen für sie „sicheren Ort„. Dort kann man sich für einen Moment zu dem Hund setzen und ihn kurz streicheln. Sobald man merkt, dass es dem Hund unangenehm wird, hört man auf und geht. Am Anfang kann es durchaus sein, dass dies schon nach ein paar Sekunden der Fall ist. Diese Übung kann und sollte man mehrmals am Tag wiederholen und sie, wenn der Hund es zulässt, über einen längeren Zeitraum behutsam steigern, in dem man es öfter und länger macht. Spezielle Massagen nach Tellington Touch können zusätzlich für Wohlbefinden sorgen.

"Kontaktliegen" ist eine weitere Möglichkeit, das Vertrauen zum Hund aufzubauen. Dabei sollte der Hund entspannt bei seinem Menschen liegen. Vorzugsweise liegt der Rücken vom Hund am Bauch vom Hundehalter.

Die letzten beiden Methoden sollten aber NIE unter Zwang geschehen.



Man sollte die Angst- und Stresssituationenan für den Hund dosieren, soweit dies möglich ist. Wenn er beispielsweise Angst vor Menschen hat, läuft man mit ihm oft durch ruhige Gegenden. Menschenkontakt sollte allerdings nicht völlig vermieden werden, sondern man geht nur jeden zweiten oder dritten Tag durch ein Wohngebiet. Anfangs reichen durchaus wenige Minuten z.B. als Abschluss nach einer Tobestunde, wenn der Hund sich ausgepowert hat. Natürlich sollte auch dies langsam gesteigert werden. Auch hier hilft es vielen Hunden, erstmal aus sicherer Entfernung Angstauslöser beobachten zu können. Man kann sich z.B. auf eine Bank oder eine Wiese setzen und selbst ein Buch lesen, während der Hund die Umgebung beobachtet. Hier ist es wichtig, als Halter Ruhe auszustrahlen.



Der Hund darf mit seiner Angst nicht alleine gelassen werden. Durch aufmunternde Worte kann man ihm zeigen, dass das, was dort gerade „passiert“, gar nicht so schlimm ist. Ist es beispielsweise die Mülltonne, die vor einem Haus steht, dann lässt man den Hund in seinem Wohlfühlabstand und nähert sich statt dessen selbst dem Angstauslöser, ein prüfender Blick, mal kurz anfassen und „untersuchen“. Willkommen im Club der Mülltonnen-, Stromkasten-, Auto- und Straßenlaternenstreichler. Am Anfang, aber durchaus auch „später“, kann es passieren, dass es für den Hund zu stressig ist und er sich überhaupt nicht darauf einlassen möchte. In dem Fall ist es notwendig, den Hund ruhig und gelassen aus dieser Situation heraus zu führen.


Verkriecht er sich zu Hause bei jedem -für ihn- lauten Geräusch oder jeder „gefährlichen Bewegung“ in seine „sichere Höhle“, lässt man den Hund kurz alleine, damit er zur Ruhe kommt. Häufig reichen ein paar Minuten. Anschließend geht man zu ihm hin und holt ihn sich wieder zurück. Selbstverständlich wird der Hund auch hier nicht gezwungen. Klare Regeln und eine Struktur im Tagesablauf geben dem Hund die Sicherheit, die er braucht, um Selbstbewusstsein aufzubauen.

Konsequenz ist das Zauberwort, was uns Menschen bei solchen Hunden oft sehr schwer fällt, wenn sie einen mit „dem Blick eines geprügelten Hundes“ anschauen, doch konsequent bleiben und daran arbeiten wird sich letzten Endes auszahlen.



Einem ängstlichen Hund hilft man selbstsicherer zu werden und Vertrauen aufzubauen, indem er viele Erfolgserlebnisse im Training hat und man besonders eigeninitiatives Verhalten belohnt, ihm aus unangenehmen Situationen hilft und eine Konfrontation mit „der Gefahr“ -aus seiner Sicht- schrittweise ermöglicht, aber niemals erzwingt! Zerr- oder Suchspiele, bei denen der Hund der Gewinner ist, bauen das Selbstbewusstsein eines ängstlichen Hundes auf. Der Clicker bietet hier ebenfalls eine hervorragende Möglichkeit, dem Hund zu zeigen, dass er durch Eigeninitiative sein Umfeld positiv beeinflussen kann.



Auch ein souveräner Zweithund kann dazu beitragen, dass das Vertrauen zwischen ängstlichem Hund und Mensch aufgebaut wird, da er sich im günstigen Fall einiges abschaut.